auf der Netzseite des Projekts Grenzrisiken? Europäische ›Grenzregionen‹ als dynamische Semiosphären.
Im Rahmen des vom DAAD getragenen Förderprogramms ›Deutsch-italienische Dialoge‹ veranstalteten die Università ›L’Orientale‹ in Neapel und die Technische Universität Dresden in Kooperation eine deutsch-italienische Fachtagung in Neapel, die sich vom 23. bis zum 25. Oktober 2014 mit der Frage nach Grenzen und Grenzräumen als Gegenstand und Generator kultureller Deutungsprozesse befaßt. Aus dieser Konferenz wird ein thematisch ausgerichteter Sammelband hervorgehen, der im Herbst 2015 bei Thelem in Dresden erscheint. Die Kooperation der Dresdner Germanistik mit dem germanistischen Dipartimento in Neapel hat über eine Erasmus-Partnerschaft und gemeinsame Forschungen bereits eine kleine Tradition begründet, die mit dieser Fachkonferenz weiter bestärkt und fortgesetzt wird. Weitere Tagungen und Projekte zum kulturellen Potential semantischer Territorialisierung um Grenzkonzepte herum – in positiver wie negativer Hinsicht – sind angestrebt.
Europa ist ein »Grenzland« (Karl Schlögel). Dessen Grenzen wurden zwar durch Überschreitungs- und Inklusionskonzepte in Frage gestellt, blieben aber doch präsent und erlebten überdies eine Renaissance, etwa in der zerfallenden Sowjetunion, im vormaligen Jugoslawien oder bei den aktuellen Autonomiebewegungen. Indes definieren nicht nur ›Nationalkulturen‹ solche Grenzen, die lange nuri als Konfliktlinien begriffen wurden; auch in einzelnen Staaten erscheinen verschiedenste ›Grenzgebiete‹, oft als riskante Zonen des Übergangs, der Überwachung und des Streits.
Verhandelt werden Grenzen aber nicht nur politisch, sondern auch im Feld der Kultur. Hier erweisen sich ›Grenzregionen‹ aller Art, konkret wie metaphorisch, stets als Auslöser und Gegenstand von Deutungsprozessen, die eine große Dynamik gewinnen können. Die Tagung untersucht vor diesem Hintergrund Verhandlungen von ›Grenzgebieten‹ unterschiedlichster Art in der Literatur als einem der komplexesten Systeme menschlicher Selbstbeobachtung und -deutung.
Mit der Frage nach ›Grenzrisiken‹ soll eine ambivalente neue Metapher eingeführt werden: Als noch akzeptables Risiko verweist der Begriff auf eine Zone des Übergangs zwischen Sicherheit und Gefahr – bezogen auf semantische Territorialisierungen öffnet sich hier ein weites Spektrum bis zum ›Störfall‹ der Grenzüberschreitung, in dem sich literarische ›Grenzerfahrung‹ konstituiert: Wie entwickeln sich solche kulturellen ›Selbstbeschreibungsformeln‹ um die Grenzen, wie treiben aus Grenzgebieten spezifische Erzählmuster hervor?